Jugendschutz & Suchtpräventation
Der Jugendschutz wird in Bezug auf eine mögliche Cannabisregulierung oft nur von der
strafrechtlichen Perspektive aus gesehen. Es ist jedoch wichtig, jugendliche Cannabiskonsument
als Subjekte wahrzunehmen, die ihre Konsumentscheidungen unabhängig von
repressiven Vorgaben treffen. Aktiver Jugendschutz muss deshalb darauf abzielen, die Jugendlichen und deren Eltern dabei zu unterstützen diese Entscheidungen gut informiert zu treffen und Menschen, bei denen der Konsum problematisch geworden ist, altersadäquate Hilfsangebote zur Verfügung zu stellen.
Jugendliche und Cannabiskonsum
Nahezu alle im Moment diskutierten Regulierungsmodelle sehen vor, dass ein Verkauf von Cannabis erst ab dem 18. Lebensjahr erfolgen darf. Neben dem Umstand, dass eine Regulierung für unter 18jährige gesellschaftlich nicht durchsetzbar wäre, gibt es auch fachlich gute Gründe. Hierfür sprechen nicht nur die oft zitierten Befunde (u.a. stärkere kognitive Beeinträchtigung, größeres Abhängigkeitsrisiko) über die negativen Einflüsse des Cannabiskonsums auf das sich entwickelnde Gehirn im Jugendalter. Darüber hinaus führt regelmäßiger und intensiver Konsum meist auch zu Vernachlässigung anstehender Entwicklungsnotwendigkeiten. Die Pubertät zeichnet sich durch eine Vielzahl solcher Entwicklungsnotwendigkeiten aus. Hierzu gehören un- ter anderen die schrittweise Lösung aus dem Elternhaus, die Ausbildung einer Geschlechtsidentität, die Aufnahme intimer Kontakte, die Findung der Rolle innerhalb der Familie und in der Gesellschaft, der Schulabschluss, die Entwicklung einer beruflichen Perspektive und die Entwicklung eines Umgangs mit Alkohol und Drogen. Viele dieser Entwicklungen haben einen entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben des Menschen. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass auch nach einer Regulierung auch Ju- gendlichen unter 18 Jahren Cannabis konsumieren werden. Es zeigt sich heute schon, dass das Einstiegsalter beim Cannabiskonsum bei ca. 16 Jahren liegt und der weit- aus größte Teil erwachsener Cannabiskonsument_innen ihre ersten Erfahrungen mit Cannabis schon vor dem 18. Lebensjahr gemacht haben. Darum stellt sich die Frage, was Jugendschutz unter dieser Prämisse bedeutet.
Aktiver Jugendschutz
Jugendschutz wird in den aktuellen Diskussionen viel zu stark aus der strafrechtlichen Perspektive definiert. Es wird ein Lebensalter festgelegt und Maßnahmen vorgeschlagen, die verhindern sollen, dass Jugendliche in den Besitz von Cannabis kommen könnten. Darüber hinaus wird diskutiert, welche Strafen es geben sollte, wenn Erwachsene Cannabis an Jugendliche weitergeben. Diese Überlegungen sind sicherlich sinnvoll, greifen allerdings viel zu kurz Nicht wenige Jugendliche halten sich einfach nicht an die Verbote, fühlen sich weniger geschützt als vielmehr bevormundet. Solche, hauptsächlich auf die Verhinderung des Erwerbs abzielender Strategien kranken daran, dass die Jugendlichen hier nicht als Subjekte wahrgenommen werden. Jugendschutz muss deshalb die Jugendlichen auch als Personen wahrnehmen, die für sich selbst riskante Entscheidungen treffen und sie deshalb dabei unterstützen, diese Entscheidungen gut zu treffen (Arbeitsgruppe „Jugendschutz im regulierten Cannabismarkt» des Dachverbands der offenen Jugendarbeit DOJ, des Fachverbands Sucht FS und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände SAJV 2015). Wir können davon ausgehen, dass der größte Teil cannabiskonsumierender Jugendlicher bereits heute risikokompetent mit Cannabis umgeht.
Jugendschutz durch glaubhafte Botschaften in der Prävention und
Frühintervention
Das Anliegen von Suchtprävention und Suchthilfe ist ein offener, differenzierter und konstruktiver Dialog über die Risiken des Cannabiskonsums und die Förderung dieses Dialogs in allen Bereichen der Gesellschaft. Eine besondere Herausforderung besteht darin, Wissensbestände, Botschaften und Haltungen zum Thema Cannabiskonsum für unterschiedliche Zielgruppen – Jugendliche, Eltern, Erwachsene, vulnerable Personen – angemessen und spezifisch zu vermitteln. Eine einseitige, nur auf Risiken abzielende Informationsvermittlung und Aufklärung zu Cannabis muss abgelöst werden durch eine Perspektive, die stärker auf Konsummuster und Konsumkontexte fokussiert. Eine notwendige präventive, beratende und therapeutische Bearbeitung problematischer Konsummuster wird durch drohende strafrechtliche Maßnahmen erschwert, und teilweise sogar verhindert, weil Schwierigkeiten im Umgang mit dem Substanz-konsum häufig tabuisiert werden bzw. angst- und schambesetzt sind, sowohl für Konsument als auch für deren Angehörige. Die Illegalität und Strafverfolgung jedweden Umgangs mit Cannabis zieht zusätzliche, substanz- und wirkungsunabhängige, soziale und juristische Risiken für konsu- mierende Personen nach sich. Jugendschutz kann nur eingeschränkt wirksam werden unter den Bedingungen des illegalen Marktes und primär repressiver Maßnahmen, die sich direkt gegen Jugendli- che wenden, selbst bei Besitz zum Eigenverbrauch. Die Maßnahmen der Jugendförderungen setzen dort an, wo Jugendliche trotz des Cannabisverbots konsumieren.
Gemeinsam etwas schaffen
Die Regulierung des Cannabismarktes hat nicht nur unter Wahrung des Jugendschut- zes zu erfolgen, sondern wird letztlich durch die Maßnahmen des Gesundheits- und Verbraucherschutz sowie durch die einhergehende Enttabuisierung des Cannabis-Themas die Rahmenbedingungen für den Jugendschutz nachhaltig verbessern. Auf die Kriminalisierung jugendlicher Cannabiskonsument ist daher zu verzichten. Effektiver Jugendschutz ist durch Maßnahmen der aktiven Jugendförderung und durch die Stärkung von Erziehungsinstanzen wie Eltern, Lehrer und Pädagogen nachhaltiger zu gewährleisten. Hierzu sind folgende Maßnahmen grundlegend erforderlich: • Mit gezielten Kampagnen müssen Botschaften und Haltungen der Drogenaufklä- rung und Suchtprävention in Familien, Schulen, Einrichtungen der Jugendhilfe glaubwürdig vermittelt werden. • Eltern und Familien müssen mit ressourcenorientierten systemischen Konzepten stärker als bisher erreicht und unterstützt werden. • Maßnahmen der Jugendförderung wie z.B. standardisierte Programme zur Ent- wicklung von Risikokompetenz sollten flächendeckend eingeführt bzw. ausgebaut werden. Sollte die, aus unserer Sicht sinnvoll und notwendige, Regulierung des Cannabis- marktes in Deutschland umgesetzt werden, empfiehlt es sich einen Teil der Steuereinnahmen durch den regulierten Cannabisverkauf zweckgebunden für Präventions- und Frühinterventionsangebote zur Verfügung zu stellen, um die Finanzierung der notwendigen Beratungs- und Präventionsprojekte zu finanzieren. Die bestehenden Steu- ergesetze sind dementsprechend anzupassen und zu verändern.